In den nördlichen Teil Floridas am Golf von Mexiko reist kaum jemand. Panhandle wird die Region genannt, Pfannenstiel. Sie ist ganz anders als der Rest des Bundesstaates – mit viel unberührter Natur, ruhigen Städten und erstklassigen Stränden, die fast nie überfüllt sind.
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Das Reich von Tarzan und Jane beginnt hinter dem McDonald’s des kleinen Ortes Crawfordville. Trübe Flüsse winden sich dort durch Wälder aus Palmen, Farnen und Zypressen. Die Luft ist heiß und feucht, der Boden sumpfig. Im Dickicht flattern Schmetterlinge, quaken Frösche, singen Vögel. Und manchmal hört man ein Rascheln, dann ein Blubbern: Alligatoren, die vom Ufer aus ins Wasser gleiten.
Einer davon schwimmt auf ein kleines Boot zu, mit dem Touristen an diesem Morgen den Dschungel erkunden. Zuerst sehen alle nur die Augen, zwei dunkle Schlitze knapp über den Wellen. Dann wird der schuppige Körper erkennbar. „Keine Angst“, ruft Maria Wilhelmy, „der will nur Hallo sagen.“ Wilhelmy, eine erfahrene amerikanische Rangerin, steuert das Boot. Sie schätzt die Länge des Alligators auf vier Meter. „Einer der größeren Bewohner unseres Urwalds“, sagt sie. Der Riese dreht eine Runde um die Besucher, lautlos und mit starrem Blick, dann taucht er ab.
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Wilhelmys „Urwald“ ist ein Naturschutzgebiet im Norden Floridas. Es umgibt die Wakulla Springs, die größten und tiefsten Süßwasserquellen der Welt. An diesem Ort, der so fern von der Zivilisation scheint und ihr doch so nah ist, wurde 1941 der Film „Tarzans geheimer Schatz“ gedreht. Kinostar Johnny Weissmuller kletterte nicht im afrikanischen Dschungel herum, sondern in Amerikas „Sunshine State“.
Die Wakulla Springs befinden sich in einer Region Floridas, die Amerikaner „Panhandle“ nennen: Pfannenstiel. Mit dem Begriff ist der 320 Kilometer lange und 120 Kilometer breite Streifen am Golf von Mexiko zwischen den Städten Tallahassee und Pensacola gemeint. Dieser Zipfel scheint im Nordwesten aus Florida herauszuwachsen – wie ein Stiel aus der Pfanne.
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„Der Panhandle“, sagt Wilhelmy, „ist ganz anders als der Rest Floridas.“ Die Rangerin hat recht. Es gibt hier keine Disneyparks und keine Kreuzfahrtschiffe, stattdessen viel unberührte Natur. Sümpfe, Seen, Flüsse, Dünen, Höhlen, Wälder. Die Städte sind kleiner und ruhiger, die Strände nicht so überfüllt, das Meer wirkt klarer.
Es schimmert in einem kräftigen Grün, die Gegend trägt daher den Spitznamen Smaragdküste. Man könnte sie aber auch als Amerikas vergessene Küste bezeichnen. Die meisten Touristen fliegen nach New York, Miami oder Los Angeles, also an den Atlantik oder Pazifik. Den nördlichen Teil Floridas am Golf von Mexiko besucht kaum jemand.
In Tallahassee startet die Reise durch den Panhandle
Tallahassee, die Hauptstadt des Bundesstaates, liegt nicht weit von den Wakulla Springs entfernt und ist ein guter Startpunkt für eine Reise durch den Panhandle. Eigentlich gilt Florida als Rentnerstaat, man sieht oft ältere Amerikaner, die mit Golfmobilen zum Supermarkt fahren.
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Tallahassee hingegen wirkt jung. Ein früherer Güterbahnhof im Zentrum wurde zur Heimat von Galerien, Boutiquen, Cafés. Künstler bemalten die Fassaden stillgelegter Fabriken. Und viele Bürger sind mit dem Fahrrad unterwegs, eine Seltenheit in Amerika.
Einmal stand die Stadt sogar im Zentrum der Weltpolitik. Im Jahr 2000 entschied sich hier das Rennen um die US-Präsidentschaft. Die anderen Bundesstaaten hatten ihre Endergebnisse zertifiziert, aber in Florida lagen George W. Bush und Al Gore so dicht beieinander, dass die Behörden sechs Millionen Wahlzettel neu auszählen mussten.
Einen Monat lang wartete Amerika, bangten Demokraten und Republikaner, dann wurde in Tallahassee das Resultat verkündet: Sieg für Bush mit 537 Stimmen Vorsprung. Das entsprach 0,009 Prozent. Bush holte Florida – und damit das Weiße Haus. Es war die knappste Abstimmung in der Geschichte der Vereinigten Staaten.
Urlaub in Panama City Beach ist beliebt
Panama City Beach, 13 Uhr, der Wind bläst kräftig, die Wellen tragen weiße Schaumkronen. Ein Mann mit stoppeligem Bart und zotteligen Haaren ruft: „Leute, das wird ein Höllenritt.“ Cody Owenby umfasst den Lenker seines Jetskis, gibt Gas und rast auf den Golf von Mexiko hinaus. Eine Gruppe Touristen folgt dem Guide. Ihre Wassermotorräder springen in die Luft, klatschen zurück in die Dünung, immer und immer wieder. Salzige Gischt wirbelt hoch und legt sich auf die Haut.
Panama City Beach befindet sich 160 Kilometer westlich von Tallahassee. Auch diese Stadt war schon weltweit in den Nachrichten. 2018 machte der Wirbelsturm „Michael“ viele ihrer Viertel dem Erdboden gleich. Es wurden Windgeschwindigkeiten von 224 Kilometern pro Stunde gemessen – bevor die Sensoren ausfielen. Wasser aus dem Golf von Mexiko stand meterhoch in den Straßen. Heute sind die Spuren der Katastrophe weitgehend verschwunden.
Nur 18.000 Menschen leben in Panama City Beach, aber es gibt eine gigantische touristische Infrastruktur. Zu der Stadt gehören 20.000 Hotels, Motels, Ferienwohnungen und Campingplätze, außerdem unzählige Strandbars, Eisdielen und Läden, zwei lange Seebrücken und 43 Kilometer Strand – ein großer Kontrast zum Rest des Panhandles.
In den amerikanischen Semesterferien zwischen März und April, dem Spring Break, kommen eine halbe Million Studenten zum Feiern. Der Badeort verwandelt sich dann in einen einzigen Nachtklub; in dieser Zeit sollte man den Ort meiden.
Per Jetski auf eine paradiesische Insel
Wer Entspannung sucht, sollte lieber im Herbst kommen. Dann lohnt sich zum Beispiel eine Tour nach Shell Island, das ist ein paradiesischer Flecken Erde voller Muscheln und Palmen vor der Küste. Die Insel lässt sich nur per Boot erreichen – oder per Jetski.
An diesem Tag ist die See rau, der Trip nach Shell Island ungemütlich, so wie Owenby es angekündigt hatte. Aber vor dem Ufer der Insel wartet eine Belohnung. Schlanke Wesen gleiten dort durch das klare grüne Wasser. Delfine. Es müssen Dutzende sein. Wohin man auch schaut, überall ragen graue Rückenflossen aus den Wellen.
Owenby und die anderen haben ihre Jetski gestoppt, treiben still auf der Dünung. „Die Delfine lassen sich ihr Mittagessen schmecken“, sagt der Guide. „Sie drängen kleine Fische in die Bucht und bedienen sich wie an einem Buffet.“ Es ist ein faszinierendes Schauspiel. Kaum irgendwo in Amerika kann man die eleganten Tiere so gut beobachten wie vor Panama City Beach.
Der konservativste Teil von Florida
Zwei Autostunden weiter westlich liegt Pensacola, das Ende des Pfannenstiels. Auf der Fahrt dorthin sieht man etwas Überraschendes: Villen mit breiten Säulen, Treppen und Veranden. Sogenannte Antebellum-Häuser, zu denen früher Plantagen gehörten.
Der Panhandle mag sich in Florida befinden, aber kulturell gehört er zu den klassischen Südstaaten, fühlt sich mehr nach Alabama, Mississippi, Louisiana an. Das gilt auch für das Essen, viele Restaurants servieren Maisgrütze und Buttermilchbiscuits.
Der Pfannenstiel ist zudem der konservativste Teil Floridas. Donald Trump holte 2020 in manchen Wahlbezirken fast 90 Prozent der Stimmen. Deshalb wird die Region nicht nur Smaragdküste genannt, sondern scherzhaft auch Redneck Riviera.
Alabama im Norden war für die Bewohner des Panhandle lange Zeit besser zu erreichen als der Rest ihres eigenen Bundesstaates. Dschungel und Sümpfe voller Krokodile schnitten den Zipfel einst vom Süden Floridas ab. Erst die Inbetriebnahme der Pensacola and Atlantic Railroad im Jahr 1881 änderte das. Die Eisenbahnstrecke verband den Pfannenstiel mit den Städten am Atlantik.
In Pensacola geht es gemächlich zu. Was die Menschen hier Downtown nennen, besteht nicht aus Wolkenkratzern wie in anderen amerikanischen Städten. Das höchste Gebäude ist ein 15-stöckiges Hotel. Man sieht hölzerne Kirchen, alte Tavernen, Überreste eines spanischen Forts. Viele Wohnhäuser liegen im Schatten mächtiger Eichen. Pensacola war eine der ersten Siedlungen in Amerika, die Europäer kamen schon 1559 an.
Im Museum der Jet von Tom Cruise in „Top Gun“
Heute ist Pensacola vor allem für die Blue Angels bekannt, die wohl beste Kunstflugstaffel der Welt. Sie ist auf einer nahe gelegenen Militärbasis stationiert. Vieles in der Stadt dreht sich um Luftfahrt. Man kann zum Beispiel eine Führung mit ehemaligen Piloten durch das National Naval Aviation Museum buchen. Dort sind in zwei großen Hangars mehr als 150 Jets und Propellermaschinen ausgestellt.
„Das hier ist der Cadillac der Lüfte“, sagt John Paganelli. Er trägt eine Lederjacke mit goldenen Schwingen und zeigt auf eine F-14 Tomcat, den Jet von Tom Cruise im ersten „Top Gun“-Film. Vor 40 Jahren saß Paganelli selbst im co*ckpit dieses Flugzeugs. „Ich habe es geliebt“, sagt er und tätschelt die schlanke Hülle. Von der moderneren Maschine in der Fortsetzung „Maverick“, der F/A-18 Hornet, hält Paganelli nicht viel. „Das Ding wird im Grunde von Computern gesteuert“, sagt er. „Ist doch langweilig.“
Ein anderer amerikanischer Ex-Pilot stoppt vor der F-14 und zeigt Fotos, die er bei einem seiner letzten Flüge mit dem Handy durch die co*ckpitscheibe geschossen hat. Auf ihnen sieht man Wälder, Strände und smaragdgrünes Wasser, den Norden Floridas von weit oben. Alles fließt ineinander wie in einem Aquarellgemälde. „Nirgendwo“, sagt der Mann, „ist Fliegen so schön wie über dem Panhandle.“
Tipps und Informationen:
Anreise: Etwa von Frankfurt mit Delta über Atlanta nach Tallahassee oder mit Lufthansa über Houston nach Pensacola.
Unterkunft: In Tallahassee zum Beispiel im „Holiday Inn Express“ (ihg.com/holidayinnexpress), Doppelzimmer ab 125 Dollar. In Panama City Beach in den „SpringHill Suites“ (marriott.com), Suite für maximal vier Personen ab 180 Dollar. Das „Beach Colony Resort“ (perdidokey.com) in Perdido Key nahe Pensacola bietet Apartments für vier oder mehr Personen in einem Wolkenkratzer direkt am Meer ab 140 Dollar pro Nacht, zzgl. Steuern und Gebühren.
Beste Route: Es bietet sich an, mit dem Mietwagen von Tallahassee über Panama City Beach nach Pensacola zu fahren – oder andersherum. Die Strecke ist rund 320 Kilometer lang.
National Naval Aviation Museum: In zwei großen Hangars in Pensacola sind rund 150 Flugzeuge ausgestellt. Das Museum ist erst seit 17. Mai wieder zugänglich, nur mit Ausweisdokument, navalaviationmuseum.org
Weitere Infos: visitflorida.com/de
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Visit Florida. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter axelspringer.com/de/werte/downloads.